Alles Bio? Wem nutzt die braune Tonne und wer bezahlt?

Stellungnahme vom 18.04.2021 zur Diskussion Grüngutabgabe contra Biotonne

Alles Bio? Wem nutzt die braune Tonne und wer bezahlt?

Der Ortsverband Bündnis 90/die Grünen setzt sich für eine ökologische und angemessen kostengerechte Lösung des Problems ein und wehrt sich dagegen, dass alle Haushalte verpflichtet werden, eine braune Tonne vorzuhalten. Geht es um Gerechtigkeit oder vielleicht um etwas ganz anderes?

Die Behandlung von kompostierbaren Abfällen ist mit hohen Kosten verbunden und trägt durch deren Transport zu einer schlechten CO2-Bilanz bei. Nun sind diejenigen in Kritik geraten, die zwar keine braune Tonne bezahlen, aber dennoch von der Möglichkeit der kostenlosen Anlieferung von Grüngut in der Kompostieranlage Gebrauch machen. Viele taten dies ohne zu wissen, dass dieses Recht nur den Haushalten zusteht, die die braune Tonne besitzen.

Diejenigen, die ihr Grüngut auf dem eigenen Grundstück selbst kompostieren und gleichzeitig auf eine braune Tonne verzichten, erhalten eine 20 prozentige Ermäßigung auf die Abfallgebühren. Diese stoßen genauso wie die Nutzer der braunen Behälter regelmäßig an ihre Grenzen, zum Beispiel wenn viel Schnittgut anfällt. Und so fahren sie wie die Selbstkompostierer das anfallende Material zur Kompostieranlage. Bei dieser nun aufgetretenen Gerechtigkeitsdebatte wird aber eine dritte Fraktion nicht berücksichtigt: Die Haushalte, die über keinen eigenen Garten verfügen und gezwungenermaßen eine „Bio-Tonne“ haben müssen. Sie zahlen die gleichen Gebühren, wie die Gartenbesitzer, denen es gestattet ist, Grüngut kostenlos abzugeben.

Unumstritten ist sicherlich, dass Selbstkompostieren ökologischer ist, als Bioabfälle durch die Gegend zu fahren – egal ob von einem professionellen Kompostierunternehmer oder einzelnen Privatleuten. Zudem ist davon auszugehen, dass derjenige, der auf dem eigenen Grundstück kompostiert, sicherlich keine Kunststoffe und andere schädliche Stoffe mit entsorgt, wie es häufig durch die braune Tonne geschieht.

Das Ziel heißt Kostengerechtigkeit. Also müssen zunächst einmal Zahlen vorgelegt werden: Welchen Kostenanteil hat das Bereitstellen, Säubern und Entleeren der Biotonnen und welchen Anteil der Betrieb der Kompostieranlage? Und wie teilen sich die Kosten bzw. Mengen der Kompostieranlage auf Bioabfälle aus Biotonnen, aus gewerblicher, kostenpflichtiger Anlieferung, aus privater, kostenpflichtiger Anlieferung (in Anhängern) und aus privater, kostenloser Anlieferung (in Kleinmengen) auf?

Es ist zu vermuten, dass der Kostenanteil für die private, kostenlose Anlieferung verhältnismäßig gering ist, da die 20 prozentige Gebührenermäßigung wahrscheinlich vor einiger Zeit genau aufgrund einer solchen Kostenabschätzung festgelegt wurde. Sollte der Kostenanteil nicht gering sein, so würden Haushalte ohne eigenen Gartenanteil finanziell benachteiligt, da sie für Bürger*innen, die Bioabfälle zur Kompostierung anliefern, mitbezahlen. In diesem Fall wäre eine Abrechnung pro Anlieferung – unabhängig von der Nutzung einer Biotonne – am gerechtesten.

Letztlich stellt sich auch noch die Frage, warum die bisherige Praxis nun hinterfragt wird. Wenn Selbstkompostierern die Anlieferung zur Kompostieranlage verwehrt wird, könnte dies dazu führen, dass sich weitere Haushalte gezwungen sehen eine Biotonne zu benutzen, ob es ökologisch sinnvoll ist oder nicht. Die Entsorgungswirtschaft würde von den Mehreinnahmen profitieren bei nahezu gleichem Aufwand.

Wenn die früheren Kalkulationen fehlerhaft gewesen wären, so könnte auch eine Anpassung der Gebührenermäßigung von 20 % auf beispielsweise 15 % beschlossen werden. Oder es könnte eine Anlieferungsgebühr für Bioabfälle, unabhängig von der Nutzung der Biotonne, in Betracht gezogen werden. Beide Szenarien würden für Kostengerechtigkeit sorgen und die Kosten decken.

Die Lösung muss also aus unserer Sicht ökologisch sinnvoll, kostengerecht, praktikabel und an erster Stelle im Sinne aller betroffenen Haushalte sein. Keinesfalls darf einzelnen, auch nicht Entsorgungsunternehmern, ein unbilliger Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit entstehen.

Andreas Popp